Bedarfsgerechte Finanzierung des Beratungs- und Hilfenetzes endlich angehen – zusätzliche Mittel im kommenden Doppelhaushalt einplanen!

Bedarfsgerechte Finanzierung des Beratungs- und Hilfenetzes endlich angehen – zusätzliche Mittel im kommenden Doppelhaushalt einplanen! 1080 1080 Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern

Gemeinsam mit seinen Mitgliedern und weiteren Unterstützer*innen fordert der Landesfrauenrat M-V in einem offenen Brief die zuständigen Ministerien und Landtagsabgeordneten auf, sich in den aktuellen Haushaltsverhandlungen für eine angemessene Finanzierung des Beratungs- und Hilfenetzes einzusetzen.

Offener Brief im Wortlaut:

Offener Brief des Landesfrauenrates M-V, seiner Mitglieder und weiterer Unterstützer*innen: Bedarfsgerechte Finanzierung des Beratungs- und Hilfenetzes für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt endlich angehen – zusätzliche Mittel im kommenden Doppelhaushalt einplanen!

Rostock, 23.11.2023

Sehr geehrte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig,
Sehr geehrter Finanzminister Dr. Heiko Geue,
Sehr geehrte Gleichstellungsministerin Jacqueline Bernhardt,
Sehr geehrter Innenminister Christian Pegel,
Sehr geehrter Fraktionsvorsitzender Julian Barlen,
Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende Jeannine Rösler,
Sehr geehrter MdL Tilo Gundlack,
Sehr geehrter MdL Torsten Koplin,

Sehr geehrte Medienvertreter*innen,

mit großer Besorgnis sehen wir seit Jahren die prekäre finanzielle und personelle Situation des Beratungs- und Hilfenetzes für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt sowie für Betroffene von Menschenhandel in unserem Bundesland.

Diese Einrichtungen – Frauenhäuser, Interventionsstellen, Beratungsstellen – sind es, die jeden Tag dafür arbeiten, dass das Recht eines jeden Menschen auf Schutz vor Gewalt eingelöst wird. Es ist daher zwingend geboten, dass sie die Mittel erhalten, die sie brauchen, um diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe effektiv bewältigen zu können.

Häusliche und sexualisierte Gewalt richtet sich in der deutlichen Mehrzahl gegen Frauen und wird überwiegend von Männern ausgeübt. Sie existiert in allen gesellschaftlichen Milieus und sie reißt nicht ab. Die Fallzahlen steigen Jahr für Jahr, immer mehr Frauen brechen das Schweigen und holen sich Hilfe. Und das Ausmaß an Femiziden wird erst seit kurzem zu erfassen versucht.

Die Auswirkungen von Gewalt können verheerend sein, nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern für uns alle. Von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder brauchen psychosoziale, therapeutische und medizinische Versorgung – das verursacht enorme Kosten im Sozial- und Gesundheitssystem. Gewalt schadet auch der Wirtschaft, denn die Frauen scheiden aufgrund von Traumatisierung oder akuter Bedrohungslagen oft lange aus dem Erwerbsleben aus.

Um hier langfristige positive Veränderungen zu fördern und den vielen Fällen häuslicher und sexualisierter Gewalt endlich Einhalt zu gebieten, ist eine systemisch angelegte Gewaltschutz- und Präventionsarbeit unerlässlich. Doch davon sind die lückenhaften Strukturen unseres Beratungs- und Hilfenetzes noch sehr weit entfernt. Das wurde auch auf der diesjährigen Interdisziplinären Opferschutztagung der Landesregierung M-V wieder einmal deutlich.

Um der stetig wachsenden Nachfrage von Betroffenen (2022: 5.409 / 2021: 4.553 / 2020: 4.369) nach Schutz und Beratung gerecht zu werden, wird dringend eine deutliche Erhöhung der personellen Ressourcen im Hilfenetz benötigt. Seit vielen Jahren mahnen die Mitarbeitenden die Überlastung an und verweisen auf die immer größer werdenden Versorgungslücken für Betroffene in unserem Bundesland. Bereits 2014 hat der Landesfrauenrat M-V mit der Petition „Opferschutz als Pflichtaufgabe“ den flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau des Beratungs- und Hilfenetzes gefordert; jedoch ohne Erfolg. Die letzte ernsthafte Weiterentwicklung des Hilfenetzes[1] liegt über 15 Jahre zurück.

Seitdem stagniert das System, hat jede Landesregierung die Augen vor den Problemen verschlossen. So hat sich mittlerweile eine große Personal- und Finanzierungslücke aufgetan. Dass diese Mehrbedarfe nicht bezifferbar seien, ist kein schlüssiges Argument, gibt doch die Istanbul-Konvention ganz konkrete Rahmenbedingungen vor, die für einen bedarfsgerechten Gewaltschutz zu erfüllen sind. Die Kosten dafür lassen sich also schon jetzt berechnen.

Mit der aktuellen Landesregierung ist spürbar Bewegung in die Thematik gekommen, das möchten wir ausdrücklich anerkennen. Die Verantwortlichen sind ernsthaft um Lösungen bemüht, doch es fehlt die finanzielle Untersetzung.
Im vergangenen Jahr wurde durch das Gleichstellungsministerium eine Evaluation in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Anfang 2024 vorliegen werden und als Grundlage für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Hilfenetzes dienen sollen – für die aktuelle Debatte zum Haushalt 2024/2025 leider zu spät. Im vorliegenden Haushaltsentwurf der Landesregierung wurde für das gesamte Hilfenetz lediglich eine geringfügige Dynamisierung berücksichtigt (+200.000 €). Es ist schon jetzt abzusehen, dass der zusätzliche Finanzbedarf um ein Vielfaches höher ausfällt. Darauf sollte sich die Landesregierung bereits mit dem kommenden Doppelhaushalt vorbereiten. Wir können und wollen nicht noch zwei weitere Jahre darauf warten, dass sich endlich etwas bewegt.

Wir appellieren daher dringend an Sie, sich aktiv für eine angemessene Finanzierung des Beratungs- und Hilfenetzes bereits im Doppelhaushalt 2024/25 einzusetzen und hier mindestens eine finanzielle Reserve für die Evaluationsergebnisse einzuplanen. Lassen Sie nicht zwei weitere Jahre verstreichen, in denen sich die Bedarfslage noch weiter zuspitzt, Mitarbeitende ausgelaugt und bewährte Strukturen überreizt werden.

Es ist an der Zeit, ein deutliches Zeichen zu setzen, wie wichtig Ihnen der Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt ist. Lassen Sie uns die Strukturen im Land gemeinsam effektiv weiterentwickeln. Wohlmeinende Worte tun manchmal gut, doch sie reichen schon lange nicht mehr.  Was Mitarbeitende wie Betroffene brauchen, ist ein bedarfsgerecht finanziertes Beratungs- und Hilfenetz.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrike Bartel, Vorsitzende Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Mitzeichnende:
Bündnis 90/ DIE GRÜNEN M-V – Cindy Wohlrab, Frauenpolitische Sprecherin
*dbb m-v/ Landesfrauenvertretung – Brigitte Schroeder
DGB-Frauen – DGB Bezirk Nord
Die Beginen e.V. – Kristin Beckmann-Natzius, Geschäftsführerin
*Frauenwerk der Nordkirche -Hauptbereich Generationen und Geschlechter, Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland
GEW Mecklenburg-Vorpommern – Annett Lindner, Landesvorsitzende
LAG der Frauenhäuser Mecklenburg-Vorpommern
LAG der Interventionsstellen Mecklenburg-Vorpommern – Susann Christoph, Sprecherin
LAG der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten – Susanne Sacher, Sprecherin
LakoF M-V – Ruth Terodde, Sprecherin
LAND-FRAUENVERBAND Mecklenburg-Vorpommern e.V. – Heike Müller, Vorsitzende
Landeshebammenverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. – Kathrin Herold, Vorsitzende
Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern e. V.
LIBERA Mecklenburg-Vorpommern e.V.
pro familia Mecklenburg-Vorpommern e.V. – Ute Wierlemann
Soroptimist International Club Rostock – Rosemarie Balfanz
ver.di Landesbezirk Nord – Andrea Moder
Vereinigung für Frauen im Management – fim e.V. in M-V – Brigitta Nelte, Regionalleiterin
ZONTA Club Wismar – Claudia Parton, Präsidentin

Arche e.V. – für Frau und Familie – Jacqueline Garske,ehrenamtliche Geschäftsführerin
AWO Kreisverband Schwerin-Parchim e.V. – Axel Mielke, Geschäftsführer
Diakonie Mecklenburgische Seenplatte gGmbH – Christoph de Boor,Geschäftsführer
STARK MACHEN e.V. -Insa Evers,Vorstand
Kreisdiakonisches Werk Greifswald e.V. – Jörg Raddatz,Geschäftsführer
Quo vadis e.V. Neubrandenburg – Reinhard Marschner, Geschäftsführer

Frauengruppe der Gewerkschaft der Polizei Mecklenburg-Vorpommern – Kristin Frosch, Vorsitzende
Stadt Putbus – Beatrix Wilke, Bürgermeisterin

[1] Kinder-/Jugendberatung in den 5 Interventionsstellen 2008; Beratungsstelle ZORA gegen Zwangsprostitution 2008

*unterzeichnet nach Versendung des Briefes

Offener Brief als PDF

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